Tränen, Farben, Haare. Was auf den ersten Blick ein wenig klingt, wie der Titel des neuen Albums der goldenen Kehle aus Anklam, Matthias Schweighöfer („Lachen Weinen Tanzen“), ist tatsächlich bereits seit 20 Staffeln das Motto der wohl beliebtesten Episode jeder GNTM-Saison: des Umstylings.
Keine Rubrik der Runwaynachwuchs-Doku um Model-Flüsterin Heidi Klum liefert beständiger Hochglanzmomente der TV-Historie. Junge (inzwischen gelegentlich mit einigen älteren durchmischte) Frauen in panischer Angst vor Zwangsverglatzung, pinken Haaren, Bobfrisuren oder anderweitig radikaler Typveränderung locken immer noch die meisten Voyeure der Verzweiflung an die Bildschirme.
Obwohl allen Bewerberinnen für die große Pro7-Model-Prospektion nach 19 Staffeln Anschauungsmaterial inzwischen geläufig sein müsste, dass im Laufe des ersten Drittels der Saison irgendwann rigoros die Friseurschere kreist, zeigt sich noch immer Jahr für Jahr die eine oder andere Kandidatin verblüfft über die Option, Klum und ihr gnadenlos auf Haarextreme trainiertes Friseurteam könne am Ende dieses eigentlich ganz freundlich beginnenden Tages entscheiden, ihre polangen, blonden Lieblingshaare gegen einen grün gefärbten Bob-Kurzhaarschnitt einzutauschen.
Friseur-Slang für „Es ist ein wenig missglückt, aber dafür hat das kein anderer so!“
Der 2025er-Jahrgang ist weitestgehend vorbildlich auf Tag X vorbereitet. Die Umstyling-Ankündigung wird jubelnd quittiert. Der Großteil des Catwalk-Kaders freut sich auf überraschende Styling-Updates. Als Heidi Klum per Videobotschaft 16 der 21 Restkandidatinnen zum Umstyling ruft, zeigt sich die eine oder andere offiziell verschonte Modelnovizin sogar enttäuscht. Statistisch betrachtet hat die weißblonde Daniela ab diesem Zeitpunkt die größten Chancen, als Hauptprofiteurin aus der „Schnipp-Schnapp, Haare ab!“-Folge hervorzugehen. Immerhin ist die Liste blonder Models, die während ihrer GNTM-Reise beim Umstyling zunächst unfreiwillig viele Meter Echthaar verloren haben, am Ende aber den Thron besteigen konnten, überraschend lang. Die Kombination blond, Kurzhaarfrisur, Gewinnerin ist regelmäßiger Konzeptbestandteil der TV-Modelsuche. Mit blonden, vornehmlich im formateigenen Umstyling mit einer kecken (Friseur-Slang für „Es ist ein wenig missglückt, aber dafür hat das kein anderer so!“) Kurzhaarfrisur ausgestattete Kandidatinnen, die sich ob ihres Aderlasses auf Kopfhöhe zunächst tränenintensiv grämten, dann aber letztendlich als Siegerin aus ihrer Staffel hervorgehen, könnte man inzwischen GZSZ komplett neu durchbesetzen.
An dieser Stelle ein kurzer Disclaimer: Zu den besagten Kurzhaarblondinen mit GNTM-Siegerinnenhintergrund gehören so illustre Namen wie Lena Gercke, Jennifer Hof, Luisa Hartema, Kim Hnizdo, Lou-Anne Gleissenebner und Lea Engberink. Satte 32 Prozent aller Gewinnerinnen haben diesen phänotypischen Haar-Hintergrund. Als dann endlich Scheren und Farbtöpfe kreisen, wird schnell klar: Daniela Djokic wird sich nicht direkt in diese Liste einfügen. Ihr Blond ist zwar heller als die Zahnleiste von Robert Geiss, Heidi Klum entscheidet sich dieses Jahr bei der Hauptblondine des Castingfelds für ein antizyklisches Vorgehen: Daniela, überraschend von allen „Dani“ genannt, erhält Extensions und damit eine amtliche Haarverlängerung. Tränen fließen nicht, hurra, die Haarfarbe bleibt.
Anders sieht es dagegen bei Magdalena aus. Zunächst gelingt es Klum zwar mit einem Pro7-Crossover-Move, Magdalena die Angst kurzfristig in Verwirrung zu transformieren, am Ende wird Magdalena jedoch heulend in den Armen ihrer Mitkandidatinnen liegen und Sätze wie „Ich fühle mich nicht wohl und es ist mir peinlich!“ Aber mal von vorne: Eigentlich ist für die Transformation der 16 Umstyling-Auserwählten wieder Heidi Klums Lieblingsfriseurin Wendy Iles verantwortlich, bekannt aus dem Hairstyle-Blockbuster „Wendy Gondeln Trauer tragen“. Für Magdalena kündigt Klum dann aber überraschend „Deutschlands bekanntesten Friseur“ an. Udo Walz weilt leider nicht mehr unter uns, insofern müsste das eigentlich Fabio vom Coiffeur Sergio sein. Mit dieser Vermutung liege ich allerdings falscher als RTL mit der Entscheidung, Stefan Raab 90 Millionen Euro zu zahlen, denn es läuft ein: Klaas Heufer-Umlauf. Der Bud Spencer der deutschen TV-Landschaft war bislang, vor allem in Kombination mit seinem Terence Hill, Joko Winterscheidt, eher als Deutschlands bekanntester Moderator bekannt.
Wer mit Heufer-Umlaufs Werk vertraut ist und gelegentlich auch in seinen Podcast reinhört, der weiß natürlich: Vor seiner TV-Karriere hat er tatsächlich als Friseur gearbeitet. Extrem beruhigend wirkt es auf Magdalena allerdings nicht, dass er den Friseurberuf “drei Jahre gelernt und dann nie wieder gemacht” hat. Nach einigen eher als Showact einzuordnenden Schnittversuchen verabschiedet sich Heufer-Umlauf dann aber auch schon wieder und überlässt Magdalena ihrem Schicksal. Nach einigen Stunden weiterer Haararbeit durch Team Wendy hat die ursprünglich langhaarige Magdalena am Ende einen Prinz-Eisenherz-Look und schwere Identitätsprobleme: „Wenn ich meinem Freund beim Spiel zugucke, haben alle Freundinnen tolle, lange Haare – und ich habe das hier!“
Albtraum Fokuhila
„Das hier“ ist der „Die fabelhafte Welt der Amelie“-Gedächtnisschnitt und trotz geringem Akzeptanzpotential bei Magdalena immer noch das kleinere Übel, hatte sie doch vor dem Umstyling zu Protokoll gegeben: „Mein persönlicher Albtraum wäre ein weißblonder Fokuhila!“
Auch Stella trägt einige Panikgedanken mit sich herum: „Ich habe Angst, ich sehe danach aus wie Dieter Bohlen!“ Das ist allerdings aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Zum einen wäre es inkonsequent, da sie ja in der Werkseinstellung bereits aussieht wie Thomas Anders. Und zum anderen, weil Heidi Klum sie gar nicht für das Umstyling nominiert. Das Schicksal von Zoe Saip bleibt ihr also erspart. Die war am Umstyling-Tag 2018 tatsächlich mit langen Haaren aufgewacht und als Dieter Bohlen Double wieder zu Bett gegangen.
Eine Zoe gibt es auch in diesem Jahrgang. Zoes Hoffnung, dem Umstyling zu entgehen, zerplatzt recht schnell. Nur wenige Sekunden nach ihrem mantraartig vorgetragenen Hoffnung, verschont zu bleiben, da ja auch sogar „die Mädels meinten, mein Look ist so schon gut!“ bahnt sich ihr größter Albtraum an: „Ich habe etwas Angst, dass ich dann aussehe, wie mein Bruder!“ Wie gut ihr Look ist, das entscheidet bei GNTM immer noch Heidi Klum. Und die entscheidet eindeutig: Zoe bekommt die signifikanteste Veränderung. Sie lässt 90 Prozent ihrer Haare und verwandelt sich in wenigen Stunden frisuroptisch von Taylor Swift in Matthias Schweighöfer. Da schließt sich also der Kreis. Best-Ager-Kandidatin Katrin mit ihren 56 Jahren Lebenserfahrung hatte sowas bereits geahnt: „Es sind ja hier viele Frisuren, die alle gleich sind. Blonde lange Haare und Mittelscheitel!“ Nun, das trifft jedenfalls auf Zoe definitiv nicht mehr zu.
„Dauert so sechs, sieben Stunden“
Kurz flackert auch bei Natali die Angst auf, komplett lookradikalisiert aus dem Umstyling zu scheiden, als Wendy Iles die Dauer ihrer Transformation auf „alles in allem so sechs, sieben Stunden“ taxiert. Natalis Gesichtsausdruck verwandelt sich umgehend eine Mischung aus Panik und Entsetzen. Was haben die mit ihren Haaren vor? In der Zeit könnte sie ein Plastischer Chirurg sogar in Bill Kaulitz verwandeln. Außerdem sieht sie wenig Spielraum für vernünftige Typenveränderungen: „Ich bin viel zu hell für eine dunkle Farbe!“ Also, hell jetzt im Sinne von Farbe.
Am Abend dürfen die Mädchen mit extremen Veränderungen traditionell mit ihren Boyfriends und Familien Videotelefonieren. Während die Nation schadenfreudig auf eine Reinkarnation von Honey wartet, erhoffen sich die Kandidatinnen Zuspruch für ihren neuen Look. Den erhält auch Jule (von blond zu braun), wenn auch auf unkonventionelle Art. Ihre Schwester tröstet sie mit der etwas kuriosen Anekdote, sie hätte „gestern etwas gesehen, wo ein Serienkiller es nur auf blonde Frauen abgesehen hatte!“ Folgerichtig fasst Jule zusammen: „Du meinst also, ich werde jetzt nicht mehr ermordet!“ Ein ungewöhnliches, aber dafür sicherheitsrelevantes Ergebnis, das ein interessantes Novum in der Umstyling-Historie darstellt.
„Ja, ist kurz, sieht so aus wie 1920!“
Kandidatin Katharina erhält rote Haare. Sie selbst ist damit glücklich, Mitstreiterin Svenja womöglich weniger. Die hatte sich eingangs als einzige Rothaarige identifiziert und daher stets von „Alleinstellungsmerkmal“ gesprochen. Das muss man aber auch erstmal verdauen. Erst drei Wochen im Contest und schon ist die im Begleitmarkt Social Media aktuell nicht zwangsläufig als Supersympathieträgerin geführte Hamburgerin nicht mehr die einzige Rothaarige. Heidi Klum, diese Schlange! Neu-Schweighöfer Zoe beschreibt ihre neue Haarpracht derweil mit „Ja, ist kurz, sieht so aus wie 1920!“ und hadert mit der Länge: „Ich habe jetzt kürzere Haare als mein Freund!“ Zum Glück zeigen sich sowohl ihr Freund („Das sind nur Haare, jetzt musst du aber auch gewinnen!“) als auch der von Magdalena („Dir steht jede Frisur“) wenig Honey-affin.
Am Tag nach dem Umstyling sieht die Welt auch schon wieder anders aus. Ein Gastauftritt bei „Das Duell um die Welt“ mit Joko und Klaas lässt die Fanherzen der Mädchen höherschlagen und sorgt parallel dafür. dass sie jetzt bereits mehr TV-Auftritte absolviert haben als die meisten GNTM-Gewinnerinnen.
Um den Reigen an selbstverliebten Männern mit kurzen Haaren nach Joko und Klaas nicht abreißen zu lassen, kümmert sich diese Woche Peter Dundas um den Final Walk. Der inzwischen zur GNTM-Serienausstattung gehörende Designer hat sich seit der 2024er-Staffel selbst einem Umstyling unterzogen und seinen Kopfschmuck von Johnny Depp auf Boris Becker geändert. Laura ist er dennoch kein Begriff: „Ich kannte den Designer nicht!“ Sie hat die letzten zwölf Staffeln also schon mal nicht gesehen. Stabile Vorbereitung auf eine Reise in die GNTM-Welt.
Nach einem kurzen Fitting und einigen Laufübungen schicken Dundas und Klum das frisch umgestylte Modelsquad auf den Laufsteg und sortieren anschließend eiskalt Lucia, Stella, Valeria und Natali aus. Damit hat Heidi Klum letzte Woche fünf und diese Woche vier weibliche Models vor die Tür gesetzt. Neun Fotoverweigerungen in acht Tagen. Wenn das so weitergeht, steht Heidi Klum spätestens zum Nacktshooting nur noch mit Daniela, Magdalena, Zoe und Safia dar. Ob Heidi Klum auch noch mal akkurat durchzählt und dann dramakatalysatorisch kommende Woche eventuell niemanden nach Hause schickt, das verrate ich nächste Woche! Bis dann!