Ein bisschen Greta Garbo, ein bissen Mick Jagger: Der große Sänger David Johansen brachte mit seinen New York Dolls eine ruppige Form der Queerness in den Punk. Jetzt ist er im Alter von 75 Jahren gestorben.
Er war das letzte überlebende Mitglied der New York Dolls, die in der kurzen Zeit ihres Bestehens notorisch erfolglos waren, heute aber gleich in zweierlei Hinsicht als prägend gelten: als Treiber des Punk. Als Zerstörer von Gechlechternormen im Rock.
Und David Johansen verkörperte die mithilfe der Altkleiderkammer der Heilsarmee knallbunt aufgetakelte Königin der Band. In ihrem vielleicht wichtigsten Song »Personality Crisis« aus dem Jahr 1973 skandierte er: »And you’re a prima ballerina on a spring afternoon / Change on into the wolfman howlin’ at the moon«. Am Nachmittag tänzelnde Prima Ballerina, in der Nacht Werwolf. Johanson stand zum einen für eine frühe Form der Queerness, er konnte aber auch laut heulenden Machismo.
In Kleidern und auf Highheels
Mit seinen fleischigen, gern erotisch geflunschten Lippen, seinem erstaunlich verrenkungstbegabten schmalen, langen Körper und dem toupierten Haar sah er aus wie eine turbosexualisierte Version von Mick Jagger. Gleichzeitig putzte er sich aber auch gerne wie sein weibliches Idol Greta Garbo in klassischen Kleidern und mit Perlenketten heraus.
Johansen hatte die New York Dolls 1971 mit dem Gitarristen Johnny Thunders gegründet. Ihr erstes Konzert gaben sie in einer Obdachlosenunterkunft; das Abfeiern nicht-bürgerlicher Existenzformen gehörte bei der Band zum Programm. Ihr Mitglieder stilisierten sich zum Trash, zum Schmutz.
Es war die Zeit, wo Robert De Niro als sexuell frustrierter Psychokiller Travis Bickle in Martin Scorseses »Taxi Driver« mit dem angeblichen Dreck in New York City aufräumen wollte. Die New York Dolls, deren heiteres, hedonistisches Treiben unbedingt politisch gelesen werden muss, stellten sich in ihrem Lumpen-Drag-Look gegen allen Säuberungs- und Sortierungsfantasie restriktiver Stadtverwalter.
Musikalisch waren sie mit ihrem hochfrequenzigen Riffrock von den Protopunkbands The Stooges und MC5 aus Detroit beeinflusst. Ästhetisch orientierten sie sich aber beim aufkommenden britischen Glamrock, in dem besonders David Bowie mit androgynen Geschlechterbildern für Furore sorgte. Während Bowie aber in seinen Persönlichkeitserfindungen immer entrückt wirkte, klaubten sich Johansen und seine Truppe die Highheels und Miniröcke für ihre abenteuerlich wackeligen Identitätskonstruktionen aus den Straßen von Manhattans Lower Eastside zusammen, wo bald Bands wie die Ramones oder Television ihren musikalischen Spuren folgten.
Dann kamen die Sex Pistols
Die beiden ersten, klassischen New-York-Dolls-Alben verkauften sich sehr schlecht. Aber diejenigen, die sie erwarben, machten danach von ihnen inspiriert die wildesten Filme, sie spielten die aufregendste Musik oder drehten im großen Stil den Musikbetrieb auf links. Zu den größten frühen Fans gehörten Martin Scorsese, Morrissey sowie Malcolm McLaren. Scorsese drehte später eine große Dokumentation über die New York Dolls, Morrissey animierte die Band 2004 zu einer gefeierten Reunion der noch überlebenden Mitglieder.
Und der britische Impresario McLaren? Na ja. Er hatte die New York Dolls auf denkbar schlechteste Weise in New York gemanagt – und borgte sich nach der Auflösung Style und Vokabular von ihnen, um dann mit den Sex Pistols von Großbritannnien aus Punk zum Popphänomen zu machen.
Johansen indes gab ab den späten Siebzigern als Solo-Künstler unter dem Alias Buster Poindexter den heißlaufenden Calypso-Unterhalter, der aberwitzig mit Liebesgurren, Pomade und Polonaise hantierte . In dieser Rolle war er auch in der US-Satireshow »Saturday Night Live« zu Gast. Poindexter, das war die Fortsetzung des Punks mit humoristischen Mitteln.
Was nicht über die Verheerungen der frühen New-York-Dolls-Tage hinwegtäuschen konnte: Das Heroin hatte schon früh für Verlusten unter den Musikern gesorgt. Bereits 1972 war der erste Schlagzeuger Billy Murcia an einer Überdosis gestorben, Johnny Thunders war 1991 an den Folgen seiner Sucht zugrunde gegangen. Sylvain Sylvain, der zweite Gitarrist der Band, starb vor drei Jahren.
Vor einem Monat hatte David Johansen öffentlich gemacht, dass er Krebs im Endstadium habe und unter einem Gehirntumor leide. Wie nun seine Tochter bekanntgab , ist der immer heitere, immer kampfbereite ikonische Punksänger am Freitag in seiner Heimat New York gestorben. Er wurde 75 Jahre alt.